Wertbrief nach Österreich

Der Brief mit einer Wertangabe über 200 Mark wurde am 17.3.1916 von Charlottenburg nach Graz in Österreich versendet. Der Brief ist portorichtig mit 50 Pfennig frankiert, da im Wechselverkehr mit Österreich die Inlandsgebühren galten. Für den Wertbrief errechnet sich: Beförderungsgebühr über 75 Kilometer = 40 Pf., Versicherungsgebühr: je angefangene 300 Mark 5 Pf., mind. 10 Pf. - zusammen die frankierten 50 Pfennig.

Wertbrief nach Granz, Vorderseite

Die saubere Frankatur mit zwei Marken MiNr. 88 II b im Walzendruck mit oberen bzw. unterem Bogenrand lässt einen philatelistischen Hintergrund vermuten. Und tatsächlich, der Absender Max Thier (1852-1925) war ein bekannter, hoch angesehener Briefmarkenprüfer. Man kann also durchaus vermuten, dass es sich bei der Sendung um eine Prüfsendung auf dem Weg zurück zum Sammler handelte. Hinzu kommt, dass bei Wertbriefen die flächige Frankatur mit zusammenhängenden Marken nicht erlaubt war:
"Beim Aufkleben von Freimarken zur Frankierung von Wertbriefen ist der größeren Sicherheit wegen dringend anzuraten, zwischen den einzelnen Marken Raum zu lassen, so daß die Marken nicht unmittelbar nebeneinander geklebt sind." (Postbuch 1906)

Aber auch die Rückseite bietet etwas Interessantes: Wie für Wertbriefe gefordert, ist die Briefklappe mit zwei Siegel (Initialen 'MT') verschlossen. Zwischen den Siegeln findet man den handschriftlichen Vermerk: "Inhalt geprüft! / Verschließung überwacht! / ...." Daneben das Amtssiegel des Postamtes Charlottenburg 5 und ein Stempel der "Überwachungsstelle des Gardekorps Berlin" als Zensurbehörde.

Wertbrief nach Graz, Rückseite

Der Brief wurde während des 1. Weltkrieges versandt und musste, da er ins Ausland ging, zensiert werden. Wegen der Zensur durften Briefe grundsätzlich nur offen eingeliefert werden, sie wurden dann nach erfolgter Zensur verschlossen und versandt. Dies war bei Wertbriefen natürlich nicht gangbar, daher wurde bei diesen Sendungen anders vorgegangen:
"Diese [Briefe mit Wertangabe] werden nach offener Vorlegung bei einem Postamt vom Absender versiegelt und von der Post mit einem Dienstsiegel versehen. Eine Nachprüfung dieser Sendungen ist zulässig, ..." (Leitfaden für den Postüberwachungsdienst, 1916)

Michael Hoener